Certamen 23 1Vom 16. bis 18. November fand in Aachen das Finale des diesjährigen Certamen Carolinum – Landesschülerwettbewerb Alte Sprachen NRW statt. Thematisch stand dieses ganz im Zeichen aktueller politischer und ökologischer Themen.

So hatte sich Veysel Yasin Kilicaslan vom Landfermann-Gymnasium Duisburg die Frage gestellt: Populismus im Aufschwung: Brauchen wir etwas mehr Stoa? Für diese Leistung wurde er von Bezirksbürgermeister Jakob von Thenen mit dem Preis der Stadt Aachen ausgezeichnet. Bereits während des morgendlichen Empfangs der Preisträgerinnen und Preisträger im Aachener Rathaus verwies der Bezirksbürgermeister auf die Bedeutung Europas für Aachen. Die europäische Geschichte werde in Aachen lebendig. Durch die Lage am Dreiländereck, die Touristinnen und Touristen sowie die zahlreichen Studierenden aus allerlei Ländern Europas habe Aachen Europa jeden Tag für sich. Auch allen Teilnehmenden des Certamen Carolinum komme ein großes Verdienst zu, wenn sie jahrtausendalte Geschichte lebendig werden ließen, indem sie Verbindungslinien von der Antike ins Hier und Jetzt zögen. Es sei wertvoll, sich auch heute mit den gestellten Themen auseinanderzusetzen.Certamen 23 2

Dr. Mauer, Staatssekretär im Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen, stellte in seinem Grußwort ebenfalls den Wert des Certamen Carolinum heraus. Der Wettbewerb hebe antike Texte als Reibungspunkte in die aktuelle Situation. Die Auseinandersetzung mit diesen Texten schule den Blick auf die Welt, helfe die in die Gegenwart transferierte Geschichte zu verstehen und leiste somit einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des Anderen. Mit Blick auf die barbarischen Angriffe der Terrororganisation der Hamas auf Israel am 07.Oktober betonte der Staatssekretär die Bedeutung von Offenheit, Respekt und Toleranz, die jedoch dort ihre Grenzen hätten, wo Menschenrechte angegriffen und verletzt würden. Den Preis des Ministeriums für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen übergab er an Samuel Kieven vom Gymnasium Zitadelle Jülich, der sich „Vergils Darstellung der pietas Aeneas‘ im vierten Buch als Vorbild für modernes Verantwortungsbewusstsein?“ gewidmet hatte.

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Als Siegerinnen im neuen Wettbewerbszweig „Antike trifft Kunst“ zeichnete Staatssekretär Dr. Mauer Shalini Angel Gnanaseelan und Fernanda Egger, beide vom Erzbischöflichen Clara-Fey-Gymnasium Bonn, sowie Emily Gruber von der Friedrich-Albert-Lange Schule Solingen aus. Shalini Angel Gnanaseelan begeisterte das Publik nicht nur als Siegerin dieses Wettbewerbszweiges mit ihrer künstlerischen Interpretation von Daedalus und Ikarus, sondern sorgte auch zum Abschluss der Veranstaltung mit ihrer gesanglichen Darbietung von Adeles „Skyfall“ für langandauernden Beifall.

Auf die Wichtigkeit des neuen Wettbewerbszweiges verwies der kommissarische Schulleiter Dirk Adamschewski in seinen Begrüßungsworten zu Beginn der Preisverleihungsfeier. Nicht erst seit den Bildern aus der Ukraine oder aus dem Gaza-Streifen wüsste man, welche Wirkmächtigkeit bildliche Darstellungen hätten. Es sei heute leicht, Bilder per Mausklick mit Hilfe von KI zu verändern und zu manipulieren. Umso wichtiger sei es, auch Bilder kritisch hinterfragen zu lernen. Das gelinge vor allem dadurch, dass man die gestalterische Kraft der Bildsprache selbst kennenlerne und ausprobiere. Dies fördere der neue Wettbewerbszweig und bilde damit eine sehr gelungene Ergänzung zum bisherigen sprachorientierten Wettbewerbszweig.

Bevor Prof. Dr. Max Kerner die Preise der Studienstiftung an die beiden Siegerinnen des Wettbewerbs, Juliette Theißen (Bischöfliches St.-Josef-Gymnasium Bocholt) und Anna Czech (Gymnasium Theodorianum Paderborn), überreichte, griff er die Worte des Staatssekretärs auf und formulierte einige Gedanken zu dem Begriff „Barbaren“ als einem europäischen Schlagwort in Zeiten des Hasses. Der Begriff werde in diesem „Albtraum von Vernichtung und Verzweiflung, von Vergeltung und Vertreibung“ hüben und drüben von den jeweils anderen verwendet. Prof. Dr. Kerner verwies auf die endlose Geschichte des Antisemitismus‘, den Jüdinnen und Juden in vielfältiger Form bis heute zu erleiden hätten. Dieser nie enden wollende Judenhass sei weder zu ertragen noch zu verstehen. Dabei verwies er auf die Worte des Konstanzer Mittelalterhistorikers Arno Borst: „Wenn es uns nicht gelingt, die Andersartigkeit zu verstehen und die damit verbundene Gegensätzlichkeit aufzubrechen und vielleicht sogar zu überwinden, dann sind am Ende offenbar wir die Barbaren.“

Eine besondere Form der Gewalt thematisierte die Siegerin des Wettbewerbs Juliette Theißen in ihrem Festvortrag „Ovids Metamorphosen – „a handbook on rape“?“ und stellte anhand des Io-Mythos‘ die Frage, ob man heute Ovids Metamorphosen angesichts von über 50 Gewalterzählungen gegenüber Frauen überhaupt noch im Unterricht lesen dürfe. Sie warnte davor, die Metamorphosen einerseits zu idealisieren oder andererseits zu verteufeln, sondern rief zu einer kritischen Lektüre auf. Ovid benenne zumindest männliches Machtgehabe als Gewaltmotiv gegenüber Frauen offen und gehe ehrlich mit der Thematik um, während heutige Medien Gewaltverbrechen gegenüber Frauen durch Umschreibungen des Tatmotivs beschönigten. Ihr hervorragender Vortrag wurde vom Publikum begeistert aufgenommen.

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An die aktuelle Situation in Israel und den Palästinensergebieten erinnerte auch Elisabeth Lebek in ihrer traditionell lateinisch gehaltenen Rede. Trotz der schrecklichen Ereignisse sei der Tag der Preisverleihungsfeier auch ein Festtag, ein Tag der Freude, so dass sie den Jugendlichen zurief: „Gaudeamus igitur, iuvenes dum sumus.“ Seit 28 Jahren unterstützt Frau Lebek gemeinsam mit ihrem Mann und der Elisabeth-Lebek-Stiftung „Lebendiges Latein e.V.“ das Certamen Carolinum. Für dieses selbstlose Engagement dankten ihr sowohl Staatssekretär Dr. Mauer als auch Prof. Max Kerner von Herzen. Der Preis der Elisabeth-Lebek-Stiftung ging in diesem Jahr an Pia Monz von der Schule Marienberg Neuss, die sich mit Ciceros idealem Staatsmann als Vorbild und Warnung für heutige Politikerinnen und Politiker auseinandergesetzt hatte.

Dass diese sich in ihren Taten an der Wahrheit auszurichten hätten, rief Dr. Hermann Krüssel vom Verein „Pro Lingua Latina e.V.“ mit Blick auf die US-Amerikanischen Wahlen im kommenden Jahr in einem Chronogramm in Anlehnung an Matthäus 5,37 dem Auditorium ins Gedächtnis und zeichnete Paul Stock vom Erasmus-Gymnasium Grevenbroich für seine Erörterung zum „Wandel im Verhältnis von Mensch und Natur“ aus.

Neben Pia Monz darf sich auch Matthias Schmid vom Nelly-Sachs-Gymnasium Neuss auf eine Reise freuen. Für seinen Vortrag „Die Macht der Musik – Verführung oder Wandel?“, welche er ausgehend von Ciceros Schrift De legibus am Beispiel der ehemaligen DDR aufzeigte, überreichte ihm Vassilis Koinis, Generalkonsul der Hellenischen Republik in Düsseldorf, einen Reisegutschein nach Athen. Zudem wurde Matthias Schmid als bester Teilnehmer seiner Jahrgangsstufe von Max Nießen, einem der stellvertretenden Vorsitzenden des DAV-NRW, mit dem Sonderpreis des DAV-NRW geehrt.

Tief beeindruckt von den intellektuellen Leistungen der Teilnehmenden zeigte sich zum Abschluss der Veranstaltung Marco Sievert von der Vereinigung der ehemaligen Schülerinnen und Schüler des Kaiser-Karls-Gymnasiums, der Anselm Konietschke vom Gymnasium St. Christophorus Werne für seinen Vortrag zum Thema „Mythos, Ritus, Glaube – Umgang mit Religion und Gottesvorstellungen in der Antike und Gegenwart ausgehend von Senecas „Epistulae morales“ auszeichnete.

Alexander Weber

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