Vogelsang 1 KopieAm 18.Dezember 2023 fand die Exkursion des Pädagogikgrundkurses der Jahrgangsstufe Q2 von Herrn Weidner auf der ehemaligen NS-Ordensburg Vogelsang statt. Diese eignete sich besonders gut, da wir im Unterricht bereits den Nationalsozialismus thematisiert hatten mit einem gesonderten Fokus auf die Erziehungsformen und Mittel. Daher diente Vogelsang als Ergänzung, aber vor allem auch Vertiefung des bereits erlernten Wissens.

Die Exkursion begann für uns alle am Montagmorgen um 10 Uhr. Wir sind dann gemeinsam als Kurs mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Eifel gefahren. Nach etwa 1,5 Stunden Fahrt und freundlichen Empfang, konnte die geplante Führung auf Vogelsang starten.  

Vogelsang ist nicht nur für dessen Landschaft, sondern vielmehr für ihre geschichtliche Relevanz bekannt. Nicht umsonst spricht man von dem ,,Täter-Ort’’ der in die deutsche Geschichte eingegangen ist. Vogelsang wurde deshalb sogar im Jahr 2005 zum Platz der deutschen Geschichte erklärt, welches jährlich viele Touristen anzieht, die sich selbst ein eigenes Bild von der eindrucksvollen Kulisse verschaffen wollen und sich einen Überblick über die Ereignisse des Dritten Reiches verschaffen können.

Doch warum wählten die Nationalsozialisten ausgerechnet im eher katholisch geprägten, westlichen Teil Deutschlands diesen Ort für ihr Vorhaben aus? Wie viel Ideologie steckt wirklich in diesem Ort? Und die wohl wichtigste Frage: warum hat diese ehemalige Ordensburg bis zur heutigen Zeit immer noch eine solch gesellschaftlich-politische Relevanz für Deutschland?

Um diese Frage beantworten zu können, werfen wir einen kurzen Blick auf die Anfänge des Nationalsozialismus, welche sich bereits vor der Machtergreifung Hitlers am 30. Januar 1933 beobachten lassen. Den Grundstein der Ideologie wurde bereits noch zu Zeiten der ersten deutschen Demokratie gelegt, als Hitler nach einem Putschversuch in Gefangenschaft geriet und seine rassistisch-faschistischen Prinzipien und Leitlinien in „Mein Kampf” 1925 veröffentlichte, welche mit der Zeit immer mehr an Bedeutung gewannen, bis sie ab dem Januar 1933 unter dem Führerstaat in die Tat umgesetzt werden konnten. Die Ideologie umfasste sowohl das innenpolitische Leben und wurde von Sozialdarwinismus, Rassenlehre und Rassenhygiene, Gleichschaltung von Berufen/Vereinen und Institutionen, dem Führer- und Gefolgschaftsprinzip, der deutschen Volksgemeinschaft als auch der Ausgrenzung und Verdrängung von „minderwertigen Völkern” geprägt. Ebenfalls wurde die „Blut-und-Boden-Ideologie” nach außen hin propagiert. So strebe man nicht nur die Eliminierung politischen Widerstands, sondern verfolgte die Lebensraumvergrößerung im Nahen Osten, welche durch die Errichtung von Konzentrationslagern bis hin zu Vertreibung, Vernichtung und Tötung vieler „nicht-reiner Menschen” führte.  

Doch um Hitlers Ideale und Vorstellungen in die Tat umzusetzen, fehlten die nötigen Funktionäre und Mitarbeiter, weshalb eine Funktionärselite erschaffen werden sollte, die gehorsam, diszipliniert, treu und stark sein sollte. So lauten Hitlers Worte einst „Wer herrschen will, muss selbst beherrscht werden”.

In dem Zusammenhang entstand die Idee vier Ordensburgen in ganz Deutschland zu errichten, die sich auf die Ausbildung der jungen, deutschen Gebietskommissare  fokussierte. Dabei entstanden die drei Ordensburgen: Sonthofen (Oberallgäu), Krössinsee (Pommern) und Vogelsang (Eifel).

Vogelsang 2 Kopie

Der Ursprung des Begriffes geht bis etwa 1250 n.Chr. zurück, bei dem die Ordensjunker als Glaubensbringer und Lehrlinge der Ritter für die Christianisierung, also für die Verbreitung des christlichen Glaubens verantwortlich waren. So existiert heute noch in Polen die im 13. Jahrhundert errichtete Ordensburg „Marienburg“. Der Begriff wurde dann im 20. Jahrhundert von den Nazis wieder aufgenommen und übernommen. Des Weiteren sollten die Ordensburgen möglichst weit und breit in Deutschland verteilt werden. Neben der schönen, abgelegen Landschaft bietet Vogelsang vor allem die Möglichkeit, die Ideologie in das westliche, streng-katholische Deutschland zu etablieren und die noch Anti-NS vorherrschende Haltungen zu brechen.

Damit diese Burgen die Ideologie auch äußerlich widerspiegelten, wurde der Kölner Architekt Clemens Klotz vom NS-Reichsführer der deutschen Arbeitsfront Robert Ley beauftragt, Vogelsang entsprechend der Ideologie und deren Leitgedanken umzugestalten (Herrschaftsstruktur). Somit ist Vogelsang bis heute symmetrisch geprägt und aufsteigend in die geographische Struktur gebaut, was die Ordnung und Struktur des totalitären Regimes widerspiegeln sollen.

Vogelsang ist ebenfalls ein facettenreicher Ort. Der Besucher kann nämlich verschiedene Schauplätze, Statuen und Symbole aus der damaligen Zeit in ihrem ursprünglichen Originalzustand vorfinden. So ist es beispielsweise möglich, sich ein Bild von den Höfen und Plätzen wie dem „Adlerhof”, dem „Appellplatz”, dem „Thingplatz”, dem „Sonnenwendplatz”, dem „Sportrelief” oder der „Burgschenke” zu machen, die damals oftmals als Sammelplätze fungiert haben.  

Viel interessanter hingegen sind die Kameradschaftshäuser, die zwischen 1934-1936 gebaut wurden und die wir als Kurs auch von innen begutachten konnten. Neben dem Originalzustand der Häuser konnten wir uns vor allem auch ein Bild von den beengenden Wohnverhältnissen, die zur damaligen Zeit üblich waren, machen. Auch wurde uns anhand von Erzählungen und Bildern der Zeitgeist der Hitler-Jugend anschaulich vermittelt. Was aus heutiger Zeit als unglaublich und kritisch zu bewerten ist, war damals als Privileg und Luxusgut angesehen. Das lässt sich auch auf die persönliche Entwicklung der sog. Ordensjunker, die nicht wirklich stattgefunden hat, beziehen. Statt Individualität galt Sozialisation in einer großen Gruppe und man sollte sich innerhalb dieser mit gleichaltrigen Kammeraden in einem vorgegebenen Rahmen von totalitären Strukturen entwickeln. Ein weiteres Merkmal dieser totalitären Erziehung ist es, dass die Entscheidung nicht in der Hand der jungen Männer lag. Sie mussten sich für nichts entscheiden, denn alles wurde bereits vom Führerstaat geplant und vorgegeben. Das Leben in einer ideologischen Zugehörigkeit wurde somit erlebt und ausgelebt, statt kritisch durchdacht. Eine Autonomie und Mündigkeit wie auch die Intelligenz waren nicht von Bedeutung und wurden vereinzelt wenig bis gar nicht ausgebildet. Vielmehr legte man Wert darauf, die körperliche Tüchtigkeit auszubilden und sich die Werte, die vom Führerstaat vorausgesetzt wurden, anzueignen.

An der Stelle ist es wichtig zu erwähnen, dass diejenigen, die einer Ordensburg zugewiesen wurden, oftmals bereits schon im Vorhinein eine Verbindung zum Staat aufwiesen und somit auch Nazis und Vertreter der Ideologie waren. Es waren junge Männer, die im Leben keine beruflichen Wurzeln geschlagen hatten und sonst auch einen ,,Suchender-Status'’ aufwiesen. Junge Männer, die aus der Mittel- bis Arbeiterschicht kamen und keine wirkliche Intelligenz gebildet hatten. Somit war für diejenigen die Aufnahme und der damit verbundene soziale Aufstieg zum Ordensjunker oftmals der letzte Faden, der den Jugendlichen von der Kirche und seiner Familie trennte. In diesen Ordensburgen fanden diese Jugendlichen nun eine Antwort auf ihre Daseinsberechtigung und Existenz im Dritten Reich. Sie fühlten sich besonders, machtvoll und in ihrer Rolle als junger Mann bestätigt. Als übergeordneter und überlegener Arier, was die Voraussetzung für solch einen Beitritt darstellte, stand der Ordensjunker mitten im Geschehen der neuentstehenden Gesellschaft und aus der selbst erfahrenen Aufwertung gab es kein Zurück mehr. Der Herrenmensch, der für die Erhaltung der Volksgemeinschaft und die Verbreitung des Typus verantwortlich war, wurde nun für die Mitarbeit am Dritten Reich gebraucht. Diese Ideologie vollbrachte ein Umdenken in der deutschen Gesellschaft und bildete den Nährboden der NSPAP.

Ein weiteres Themengebiet unserer Führung war die Errichtung von Adolf-Hitler-Schulen im Dritten Reich, was auch die Ordensjunker in den Ordensburgen betraf. Es sollte mithilfe von wichtigen Kriterien wie schulische, sportliche, charakterliche Eigenschaften als auch rassistische Kriterien eine starke NS-Elite herangezogen und durch einen sogenannten ,,Ausleseprozess’’ bestimmt werden. Diese Elitebildung war besonders ideologisch motiviert. Um dies zu erreichen, wurden auf Vogelsang spezifische Fächer eingeführt, um die Härte des jeweils einzelnen zu prüfen. Bei diversen Mutproben und anderen Überprüfungen ging es dabei darum, dem Führer blind zu vertrauen und zu gehorchen, denn diese Elite galt es Befehlsempfänger. Ebenfalls wurde eine Schulung in den Bereichen Rassenkunde, Geografie und Geschichte vorgenommen. Hierbei vermittelte man den jungen, deutschen Volksgenossen, dass die deutsche, arische Rasse als einzige kulturbringende und überlebensfähige Rasse zu schützen sei. Somit wurde hier oftmals auf die Rassenhygiene zur Erhaltung dieser überlegenen Rasse hingewiesen. Der „Rest” wie z.B. homosexuelle, eingeschränkte Menschen und insbesondere Juden müsse man dementsprechend als „minderwertiges Volk” entsprechend behandeln. So nutzten die Nazis dies nicht nur zu Legitimation ihrer Ideologie, was zur Tötung zahlreicher unschuldiger Menschen im eigenen Land führte. Hitler verfolgte auch primär das Ziel, Deutschland in Großdeutschland mithilfe einer Osterweiterung zu vergrößern und die Gebiete wie auch die Menschen und Ressourcen in den besetzten Gebieten einzunehmen. Schnell wurde das deutsche Militär mit ihrer Formation, ihrer Uniformität, Stärke und Disziplin auch von der deutschen Zivilbevölkerung gefeiert. Es gab zahlreichen Applaus und Beifall. Es wurde zum Symbol der neuen, deutschen Kraft. So auch das Marschieren, Formieren, Singen, Versammeln sowie die Bereitschaft, dem Führer und dem Führerstaat Gefolgschaft leisten. In diesem Zusammenhang gibt es noch das Symbol des Fackelträgers, welcher den deutschen Typus symbolisieren soll und auf Vogelsang seinen persönlichen Platz und seine persönliche Statur erhalten hat. Es soll das Symbol für das Voranschreiten und Marschieren sein. Es heißt, dass dieser im Kampf für Hitler das Licht in die Welt hinaustragen solle. Es ist also ein Symbol für die Körperlichkeit und (Über-) Macht des Ariers.

Von 1936-1939 wurden Tausende junge Gebietskommissare auf Vogelsang ausgebildet, die an dem Tod tausender unschuldiger Menschen insbesondere in den östlichen Gebieten Europas beteiligt waren. „Ohne Täter, keine Opfer”, so der Philosoph T.W. Adorno.

Zum Schluss würde ich gerne noch ein paar persönliche Eindrücke zu dieser äußerst sensiblen Thematik äußern. Ich würde jedem, der es noch nicht getan hat, eine Führung auf Vogelsang empfehlen. Der Ort bringt im Vergleich zu den alten Geschichtsbüchern und Dokumentationen eine unglaubliche Authentizität und Originalität mit. Durch die erhaltenen Elemente des Dritten Reiches verspürt man für einen kurzen Moment das Gefühl, live dabei zu sein und in dem Geschehen festzustecken. Es ist nicht sinnvoll, die Vergangenheit als Vergangenes abzustempeln, denn sie ist noch längst nicht überwunden oder tot. Sie hat überlebt und lebt immer noch weiter in unserer Gesellschaft in viele einzelnen, unscheinbaren Gruppierungen. Es ist auch nicht richtig zu behaupten, dass all dies ein deutsches Phänomen sei, denn das ist schlichtweg einfach nicht die Wahrheit. Dieses rechtsextreme, rassistische Gedankengut kann jeden Unzufriedenen überfallen und sich an dem schwachen Gewebe wie ein krankhaftes Geschwür verbreiten. Es liegt an jedem einzelnen von uns, diese Veränderung positiv zu beeinflussen und offen damit umzugehen, damit das, was im 20. Jahrhundert ausgebrochen ist, sich nicht noch einmal verwirklicht.

Gerd Weidner

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